"Innere und äußere Beweglichkeit gefragt"

Norbert Scheckel ist stellvertretender Diözesanseelsorger der Malteser im Erzbistum Paderborn. Foto: Tim Tegetmeyer

Liebe Malteserinnen und Malteser,

immer wieder denke ich an eine prägende Begegnung mit den Maltesern in meiner Anfangszeit beim Verband. Zum Gemeindefest hatten die Ehrenamtlichen der dortigen Gliederung ein Zelt und Sitzgarnituren aufgebaut. Dann kam die Pfarrgemeinderatsvorsitzende und sagte, dass das hier aber ein sehr schlechter Platz sei. Klaglos und in vergleichsweise kurzer Zeit wurde daraufhin das Equipment ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut.

Damals habe ich zum ersten Mal die Flexibilität unseres Verbandes kennengelernt und war begeistert. Genau diese innere und äußere Beweglichkeit ist in diesen Tagen ja besonders gefragt.

Es ist schon erstaunlich, wie sich in kurzer Zeit unser Leben geändert hat. Menschen, die noch bis Mitte März wie selbstverständlich jeden Tag zur Arbeit gegangen sind oder ein Geschäft betrieben haben, müssen jetzt um ihre Existenz fürchten. Andere arbeiten bis zur Erschöpfung in Krankenhäusern, sozialen Einrichtungen, im Lebensmittelhandel und an anderen wichtigen Stellen.

Aber nicht nur das berufliche, auch das soziale und das private Leben stehen natürlich auf dem Kopf. Viele von uns wären am 2. oder 3. April gerne zur jährlichen Lourdes-Wallfahrt aufgebrochen. Ich denke da nicht nur an die Malteser im Pilgerteam, sondern insbesondere auch an die vielen Senioren und Menschen mit Krankheiten, die aus den Tagen am Wallfahrtsort in der Nähe der Gottesmutter Kraft für ein ganzes Jahr tanken.

Wir verzichten auf freundschaftliche Kontakte, Fahrten zur Familie oder in den Urlaub, natürlich aber auch auf die Osterfeiertage im gewohnten Rahmen, zu dem für viele ja auch die Gottesdienste in der Kirche dazugehören. Das gilt für die Gläubigen wie für die Priester (die hoffentlich auch Gläubige sind).

Vieles bricht zusammen – und vieles bricht auf. Das ist bei aller inneren Unruhe und Anspannung, von der sich im Moment wohl niemand freisprechen kann, auch zu spüren. Ja, es gibt die vielen, die noch nicht aus der Krise gelernt haben, und immer noch „ich zuerst" denken, wenn es um Einkauf und Schutzmaßnahmen geht. Beispiele dazu können wahrscheinlich alle aus ihrem Umfeld erzählen.

Aber es gibt eben auch die vielen, die sich jetzt der neuen Situation stellen, und das Beste daraus zu machen versuchen.

Gottesdienste im Live-Stream, Videobotschaften, WhatsApp-Andachten, Mailverteiler, Telefonseelsorge, Einkaufsdienste. Es gibt Menschen, die zuhause Mundschutze nähen, Brennereien, die Ethanol für Apotheken herstellen, leerstehende Hotels, die für kranke Menschen hergerichtet werden. Die Liste lässt sich mittlerweile beliebig lang fortsetzen. Wir sehen nicht nur Zusammenbruch und Unsicherheit, Egoismus und Engstirnigkeit. Wir sehen, Gott sei Dank, so viele Mitmenschen, die mit Fantasie und Tatkraft auf die Notlage reagieren.

Mittendrin sehe ich uns Malteser, die wir uns an diesen vielfältigen Aufgaben beteiligen, auch wenn unser Alltagsgeschäft in den Gliederungen im Moment zum Erliegen gekommen ist. Die meisten, die diesen Text lesen, versuchen sicher gerade, sich irgendwo einzubringen. Danke dafür an alle, die jetzt ihre Zeit neuen Diensten und Aufgaben widmen.

An anderer Stelle habe ich zu Beginn der Corona-Krise das Bild des Aschenkreuz aufgegriffen, bei dem es heißt: „Denk daran, Mensch, dass du Staub bist." Das merken wir angesichts eines Virus, das plötzlich die Welt beherrscht und dem zurzeit noch nicht beizukommen ist: Wir sind Staub, Teil dieser Erde, Krankheit und Tod unterworfen. Aber wir sind auch Menschen, Abbilder Gottes, die mit ihrem Verstand forschen, mit ihrem Geist denken und mit ihrem Herzen lieben.

Für dieses lebendige Zeugnis gelebten Glaubens können wir nur dankbar sein.

Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen

Euer Norbert Scheckel

Stellvertretender Diözesanseelsorger der Malteser im Erzbistum Paderborn